Der Beitrag „Projektmanagement Bau, quo vadis?” von Prof. Dr. Klaus Eschenbruch und Prof. Dr. Norbert Preuß ist in der Zeitschrift Bauwirtschaft, Heft 1/2025 Mitte April erschienen.
Im Markt etabliert, Strukturen gefestigt, Transparenz erhöht
Projektmanagement im Bauwesen ist eine fachliche Unterstützungsleistung des Bauherrn in den Handlungsbereichen Organisation, Qualitäten, Kosten, Termine und Verträge. [1] Speziell bei größeren Projektrealisierungen sind Bauherrn auf die externe Unterstützung in entsprechenden Kernfunktionen übergeordneter Koordinierung und Steuerung der Projektbeteiligten angewiesen.
Nach einem im Jahre 2024 durch den Deutschen Verband für Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft e.V. (fortan: DVP), in Auftrag gegebenen Marktbericht [2] erbringen rd. 2.700 Unternehmen in Deutschland Bauprojektmanagementleistungen. Die Branche ist durch mittelständische Marktteilnehmer geprägt, rd. 63 % aller Unternehmen verfügen über 1 bis 9 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz der meisten Unternehmen (55 %) liegt unter 1 Mio. €. Dabei bedienen sich rd. 41 % der Projektmanagementunternehmen auch freier Mitarbeiter. Die Unternehmensstruktur der Projektmanagementunternehmen lässt bereits darauf schließen, dass die Anforderungen an derartige Unternehmen grundsätzlich sehr hoch und die Margen keineswegs überragend sind. Einzelheiten des Marktberichtes zeigen eine differenzierte Marktstruktur mit nur wenigen Projektmanagementunternehmen auf, die von ihrer Größe her überregionale Großprojekte realisieren. 2/3 der Projektmanagementunternehmen befassen sich vornehmlich mit kleinen Projekten und sie sind ab anrechenbaren Kosten von 50 Mio. € nicht mehr beteiligt.
Eine weitere Untersuchung des DVP unter dem Namen „1000 Verträge“ [3] hat die Vertragsstrukturen in der Projektmanagementbranche untersucht und dabei als dominanten Vertragstyp den Projektsteuerungsvertrag mit einem Vollleistungsbild nach AHO-Heft Nr. 9 und einer pauschalen Vergütung für die gesamten Projektunterstützungsleistungen herausgearbeitet. Einzelheiten zu der Ausgestaltung entsprechender Verträge, vornehmlich als Werkverträge, Laufzeiten, Haftungsregelungen usw., sind dort zu finden.
Sowohl der „Marktbericht 2024“ wie auch die Untersuchung „1000 Verträge“ (2023) verdeutlichen, dass sich inzwischen die Beauftragung nach den AHO-Heft 9-Leistungsbildern als Marktstandard in Deutschland durchgesetzt hat. Rd. 70 % aller Verträge werden auf dieser Grundlage geschlossen. Auch Auftraggeber, die in ihren Leistungsbildern teilweise geänderte und zusätzliche Leistungsanforderungen, bezogen auf spezielle Projekttypologien oder Auftraggeberspezifika verwenden, orientieren sich in der Praxis an diesen Leistungsbildern. Unter dem Kernleistungsbild der Projektsteuerung haben sich verschiedene modifizierte Leistungsbilder ausgeprägt, wie etwa das Leistungsbild der Projektleitung und der Projektsteuerung, das Multiprojektmanagement, das Nutzerprojektmanagement usw. Die Leistungsbilder sind in den Heften 9 und 19 der AHO-Fachkommission (2020/2004) enthalten.
Insbesondere das Leistungsbild der Projektsteuerung ist inzwischen sehr ausdifferenziert, wobei die Leistungsanforderungen mit messbaren Lieferobjekten versehen, Schnittstellen zu auftraggeberseitigen Leistungen ausgewiesen und auch durch eine Honorartafel und zusätzliche Tools ergänzt worden sind. [4] Die neuen Leistungsbilder werden kontinuierlich fortgeschrieben und den technologischen Entwicklungen angepasst. [5] In 2025 wird die 6. Auflage des Standardwerkes für die Projektsteuerung (AHO-Heft 9) erscheinen, welche insbesondere den Zusammenhang zwischen Leistungsdauer und Vergütung ergänzend herausarbeiten und neue Anforderungen und Methoden (Nachhaltigkeit, Lean und BIM) vertiefend berücksichtigen wird. Angestrebt werden durch die AHO-Fachkommission ausgewogene, gleichzeitig anspruchsvolle Leistungsanforderungen an eine Projektmanagementleistung. Insbesondere ein Projektsteuerungsunternehmen darf sich danach nicht auf die Funktion eines „Briefträgers des Projektgeschehens“ beschränken, sondern muss eine fachkundige, verantwortliche Bauherrenunterstützung zur Erreichung des jeweiligen Projekterfolges leisten.
Projektmanagementleistungen im Bauwesen haben sich somit im Markt als dritte Säule neben den planenden und bauenden Tätigkeiten etabliert, sind in ihren Strukturen und Vertragssystemen durchdrungen und für alle Marktbeteiligte transparent geworden. [6]

Schaubild 1: Heft 9 und Leistungsbildstruktur
Zentrale Trends und Zukunftsentwicklungen
Wenngleich somit das Fundament für eine entwickelte Branche gelegt zu sein scheint, ist das Bauprojektmanagement starken Veränderungsprozessen ausgesetzt. Die aktuellen Entwicklungen deuten darauf hin, dass hier kaum ein Stein auf dem anderen bleibt und insbesondere die Figur des allumfassend ausgebildeten Projektsteuerers als Generalkümmerer des Auftraggebers in einer Person ausgedient haben könnte.
Der DVP-Marktbericht über die bauherrenseitigen Projektmanagementleistungen in Deutschland aus 2024 [7] hat auch zukünftige Trends des Bauprojektmanagements erfragt. Unabhängig von den aktuellen marktspezifischen Anforderungen ergeben sich nach der Einschätzung der Marktteilnehmer neben generell erhöhten Anforderungen aufgrund gestiegener Projekt- und Umfeldkomplexität 3 zentrale Trends, die alle übrigen Entwicklungsansätze dominieren: Es handelt sich um Fachkräftemangel, Nachhaltigkeit und digitale Lösungen. Auf die nachstehende Darstellung wird verwiesen.
In der Tat sind die allgemeine Wirtschaftsentwicklung und diese 3 zentralen Zukunftstrends auch diejenigen Aspekte, die die Entwicklung des Projektmanagements Bau in den nächsten Jahren wesentlich beeinflussen werden. Im Einzelnen sind folgende aktuelle Entwicklungen zu verzeichnen:

Schaubild 2: Zukunftstrends nach DVP-Marktbericht 2024
Veränderungen des ökonomischen Umfeldes
Gestörte Leistungserbringung
Im Zeitalter der Multikrisen ist die Notwendigkeit fachlicher Unterstützung bei der Umsetzung von Bauherrenaufgaben umso deutlicher geworden. Es gibt heute kaum noch ungestört zu Ende geführte Projektrealisierungen. Auch nach Beendigung der Corona-Pandemie, der Bewältigung der ersten Folgen der Ukraine-Krise und einer extremen Baukostensteigerung sind störungsfrei verlaufende Projekte eher eine Seltenheit. Dies hat auch damit zu tun, dass infolge eines Generationenwechsels in der Planungswirtschaft vielfältiges Know-how verlorengegangen und durch eine zunehmende „Atomisierung“ entsprechender Tätigkeiten in Teilsegmente, etwa der einzelnen Planungsbereiche der Technischen Gebäudeausrüstung, kaum noch mit fertig koordinierten Planungsgrundlagen gerechnet werden kann. Vielfältig fallen entsprechende Planungsbeteiligte auch aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten aus. Auf der Bauausführungsseite haben sich die Margen ebenfalls verringert, was die Eskalationsbereitschaft ebenfalls erhöht. Diese Entwicklung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit des Projektsteuerers, zumal dann, wenn (wie üblich) Pauschalhonorare für derartige Leistungen zu Beginn eines Projekts für die gesamte voraussichtliche Laufzeit vereinbart worden sind. Die allgegenwärtigen Projektstörungen und die daraus resultierenden Laufzeitverlängerungen führen bei vielen Projekten zur Geltendmachung von Projektsteuernachträgen, zumeist mit ungewissem Ausgang. Die Projekt- und Geschäftsrisiken für Projektmanagementunternehmen haben sich dadurch deutlich erhöht.
Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel bleibt ein zentrales Thema für die Beteiligten in der Bauwirtschaft. Die in diesem Industriezweig angebotenen Arbeitsplätze gelten vielfach als nicht uneingeschränkt attraktiv. Dementsprechend fehlen sowohl auf Bauherrenseite, im Planungs- und Bauausführungsbereich, aber nicht zuletzt auch bei dem Projektmanagement qualifizierte Fachkräfte, insbesondere langjährig tätige und erfahrene Projektmanager. Auftraggeberorganisationen, denen heute oft eigenes Projektmanagementpersonal mit operativer Kompetenz fehlt, sind gezwungen, die bei ihnen entstehenden Lücken durch Beauftragungen von externen Projektsteuerungsunternehmen zu schließen. Externe Projektmanagementleistungen im Bauwesen werden immer wichtiger und zunehmend gebraucht. Auftraggeber werden zunehmend mit Marktverhältnissen konfrontiert, die durch eine begrenzte Anzahl qualifizierter auftragnehmerseitiger Projektmanagementressourcen geprägt sind. Angesichts der geringeren Margen und eines härteren Wettbewerbs ist ein Mitarbeiteraufbau bei den Projektmanagementfirmen äußerst schwierig und die zeitgerechte Ausstattung großer Projekte mit geeignetem und erfahrenem Fachpersonal ist zu einer zentralen und schwer zu bewältigenden Aufgabe für Projektmanagementunternehmen geworden. Erschwert wird der Umstand dadurch, dass fertig ausgebildete Bauingenieure noch jahrelange Praxis brauchen, um in Projekten leitend eingesetzt werden zu können. Darüber hinaus sind aufgrund der demografischen Entwicklung viele erfahrene Projektmanager aus der Aufbruchzeit der Projektsteuerung altersbedingt aus den Unternehmen ausgeschieden. Zunehmend wird der Bedarf durch die „Karawane der Freelancer“ oder „Berufsanfänger“ geschlossen. Eingespielte und erfahrene Teams mit einer ebenso qualifizierten Leitung der Projektsteuerung, die im Zeitalter der Multikrisen komplexerer Projekte auf Augenhöhe mit dem Auftraggeber und Projektleitungen zum Erfolg führen kann, können immer seltener zur Verfügung gestellt werden.
Auch die Tätigkeit in Projektmanagementunternehmen wird dabei von Mitarbeitern nicht immer als attraktiv angesehen. Die Aufstiegschancen sind in der Regel begrenzt. Mitarbeiter müssen ein Leben lang (jeweils für Jahre) auf unterschiedlichen Baustellen der Republik auswärts arbeiten und stoßen an den Arbeitsstellen nicht immer auf eine freundschaftliche Arbeitsumgebung. „Blütenträume der Branche“, alle planenden und steuernden Unternehmen projektbezogen in Baustellenunterkünften zusammenzuziehen (angeblich eine Ausprägung besonders „leaner“ Vorgehensweisen) werden schlichtweg nicht mehr realisiert werden können, weil dauerhaft Fachkräfte für eine derartige Arbeitsumgebung nicht zur Verfügung stehen und dementsprechend derartige Ansätze nicht mehr bezahlt werden können. Projektmanagementleistungen werden zunehmend digitaler werden müssen, um noch engagierte Mitarbeiter finden und Projekte wirtschaftlich abwickeln zu können. Es ist mit neuen Arbeitsformen zu rechnen, bei denen sich um wenige erfahrene Projektmanager:innen eine Mehrzahl lediglich digital eingebundener weiterer Mitarbeiter:innen schart.
Veränderte Objektwelten
Projektmanagementunternehmen im Bauwesen müssen sich aber nicht nur auf ein unsicher gewordenes Marktumfeld, sondern auch auf geänderte, volatile und schwerer zu kalkulierende Projektaufgaben einstellen. Eine frühere Domäne für Projektsteuerungsunternehmen, nämlich der klassische Bürobau (von Projektentwicklern), hat derzeit seine wirtschaftliche Grundlage weitgehend verloren. Die klassische Büroarbeit ist zurückgegangen. Flächen werden frei, Büroimmobilien vornehmlich noch in 1A-Lagen realisiert. Aufgaben des Wohnungsbaus, der Infrastruktur und von Health Care sind zunehmend zu bearbeiten. Neue Objekttypen, wie etwa Logistik- und Datencenter, kommen hinzu. Die sich vergleichsweise kurzzyklisch und wirtschaftlich abzuwickelnde Projektsteuerung bei der Errichtung klassischer Bürobauten, kann von Projektmanagementunternehmen immer seltener akquiriert werden („Wegfall des Brot- und Buttergeschäfts“ [8]). An die Stelle treten die vorgenannten anspruchsvolleren Betätigungsfelder, insbesondere mehr Bestandsbau und Umnutzung. Dies führt dazu, dass die bisherigen Projektbeteiligten auf diese Arbeit vorbereitet, ausgebildet und so eingesetzt werden müssen, dass auch dort noch hinreichende Margen verdient werden können.
Auftraggeber von Bauprojekten verfügen zunehmend über geringere Erfahrungen im Projektgeschäft, was sich auch in einer eingeschränkteren Entscheidungsstärke ausdrückt und weichen angesichts der zunehmend unsicher gewordenen Projektrealisierungen entweder auf Konzepte des Partnerings oder Generalunternehmer- und Totalunternehmerkonzepte aus. Sie haben oft die Zuversicht verloren, mithilfe einer AG-seitigen Projektsteuerung mit den vielen Planungs- und Ausführungsbeteiligten, zumal bei Einzelvergaben, die Termin- und Kostenvorgaben einhalten zu können. Nach dem derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindlichen „Vergaberechtstransformationsgesetz“ sollen auch die Verpflichtungen der öffentlichen Hand zur losweisen Vergabe abgemildert werden. Es ist damit zu rechnen, dass es auch aus diesem Grund zunehmend zu Kumulativleistungsträgervergaben kommt. [9] Ein Teil der Projektsteuerungsaufgaben werden durch diese Wahl von Unternehmereinsatzformen zwangsläufig auf andere Marktteilnehmer transferiert. Gleichzeitig erfordert die verbliebene Controllingtätigkeit die Ausrichtung auf geänderte Organisationsstrukturen und den Einsatz spezifischer Controllingtools. [10]
Geänderte Wettbewerbsverhältnisse
Zu guter Letzt ist der Projektsteuerer kein geschützter Beruf. Die Markteintrittsschwelle ist relativ gering. Abgesehen von der konkurrenzweisen Tätigkeit von Freelancern, die aus diversen Krisen der Bauwirtschaft „übriggeblieben“ sind, befinden sich Projektsteuerungsunternehmen auch in einem zunehmend härteren Wettbewerb mit größeren oder großen Planungsbüros. Dies hängt einerseits damit zusammen, dass einige Marktteilnehmer und zunehmend auch Finanzinvestoren damit befasst sind, in Deutschland (wie im angelsächsischen Bereich üblich) größere unternehmerische Einheiten von Architekten und Ingenieuren zu bilden. Diese Einheiten mit mehreren 100, wenn nicht gar 1000 Architekten und Ingenieuren erbringen in der Regel auch Projektmanagementleistungen. Der Zugang zu großen Projekten wird dadurch für spezialisierte Projektmanagementunternehmen tendenziell schwieriger. Auch das auf der Planungsseite längst zum Standard gehörende modellbasierte Arbeiten und das Hineinreichen dieser Arbeitsmethodik in die Kosten- und Terminplanung führt nicht nur zu einem erheblichen Fortbildungsbedarf auf Seiten der Projektmanagementunternehmen, sondern auch zu neuen Wettbewerbssituationen. Warum soll noch eine Vollprojektsteuerung beauftragt werden, wenn wesentliche Arbeitsergebnisse bereits digital, sozusagen als Abfallprodukte des digitalen Planens, erzeugt werden? Nicht jeder Auftraggeber wird verstehen, dass auch diese digitalen Planungsergebnisse fachlich überprüft werden müssen.
Schließlich ist mit einem verstärkten Wettbewerbssegment interprofessioneller Gesellschaften zu rechnen. Schon immer konnten sich Rechtsanwaltsgesellschaften unter Wahrung der steuerrechtlichen und berufsrechtlichen Anforderungen an Projektsteuerungsunternehmen beteiligen. Neuerdings eröffnen §§ 59 c ff. BRAO umgekehrt auch die Möglichkeit der Beteiligung von Projektmanagementfirmen an Anwaltsgesellschaften und speziell auch die Bildung interprofessioneller Gesellschaften. Für die Zukunft ist mit einer „bunteren“ Wettbewerbssituation in diesem Bereich zu rechnen.
Aufgrund dieser wirtschaftlichen Entwicklungen scheinen die „goldenen Zeiten“ der Projektsteuerung im Bauwesen – sollte es sie je gegeben haben – vorbei. Alle Marktteilnehmer müssen sich auf die geänderten ökonomischen Randbedingungen einstellen und individuelle Konzepte entwickeln, um mit den sich gravierend ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfolgreich und profitabel umgehen zu können.
Neue Aufgaben, Werkzeuge, Methoden und Digitalisierung
Aber nicht nur das jeweilige Projektumfeld und die zu bearbeitenden Projekte haben sich geändert, sondern Projektsteuerungsunternehmen müssen eine Vielzahl neuer Aufgaben im Rahmen ihrer Berufstätigkeit bewältigen. Zentrale Veränderungsprozesse werden durch Nachhaltigkeitsanforderungen, die Digitalisierung sowie auch Methoden des Lean-Construction geprägt.
Kaum ein Bauvorhaben kann heute noch ohne Berücksichtigung von Nachhaltigkeits- und Klimaschutzanforderungen realisiert werden. Der Green-Deal der EU und die nationalen Klimaziele haben ein diffuses Bild umfangreicher, zusätzlicher Anforderungen an Projektrealisierungen geschaffen, welche nur teilweise durch eindeutige gesetzliche Vorgaben, etwa einerseits aus der Taxonomieverordnung 2020 der EU sowie andererseits dem Gebäudeenergiegesetz, dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und dem Klimaschutzgesetz aus Deutschland konkretisiert worden sind. Hierneben haben Wissenschaft, Verbände und Praxis diverse Umsetzungsstrategien, wie etwa „Cradle to Cradle“ und den „Holzmodulbau“ entwickelt. Angesichts „unscharfer“ Vorgaben der europäischen und nationalen Normgeber lässt sich der verpflichtende Rechtsrahmen für die einzelnen Marktteilnehmer, insbesondere der Projektmanagementunternehmen, nur schwer absehen. Gleichwohl werden institutionelle Auftraggeber werden in der Zukunft nur noch in Projekte investieren bzw. anmieten, die unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien errichtet worden sind.
Die Umsetzung all dieser Anforderungen ist heute für den Markt vornehmlich noch über die Anwendung von Zertifizierungssystemen wie DGNB, BREEAM, LEED oder dem Bewertungssystem nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude (BNB) beherrschbar. Um Projekte zu steuern, ist dementsprechend ein Basiswissen zur Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz und der Anwendung entsprechender Zertifizierungssysteme erforderlich. Auditoren müssen eingebunden werden, Zertifizierungssysteme bereits bei Beginn des Projektes integriert werden. Die Steuerung des magischen Dreiecks Kosten, Termine und Qualitäten muss dementsprechend um Nachhaltigkeit erweitert werden. [11]

Schaubild 3: Das komplexe Sechseck
Um komplexere Projektabwicklungen und -typologien zu stabilisieren, sind verschiedene Systeme des Lean-Construction-Management entwickelt worden. Agile Projektmanagementeinsatzformen wie Scrum sollen flexiblere Projektorganisationen gewährleisten. Die aus dem Lean-Portfolio entstandenen und in der Praxis angewandten Last-Planner-Systeme dienen der Stabilisierung von Projektabläufen und sollen die oft wirkungslose top-down-Terminplanung ergänzen oder ersetzen. Zielstellung dieser Projektabwicklungsformen ist es, Projekte in unsicheren Zeiten resilienter auszugestalten. Diese Konzepte haben wiederum ihre speziellen Einsatzbereiche, ihre Werkzeuge und spezielle Beraterfakultäten, die eingebunden werden müssen. Bei dem Einsatz von Last-Planner-Systemen zur Terminstabilisierung und kurzzyklischen Taktsteuerung werden etwa gesondert Lean-Berater eingesetzt; bei speziellen Partneringverträgen aus dem Bereich der integrierten Projektabwicklung und z.B. Mehrparteienverträgen bedarf es spezieller Berater und Partnering-Coaches. Auch hier muss ein Projektmanager im Bauwesen wissen, was für das Projekt gebraucht wird, welche Methoden heranzuziehen sind und wie die einzelnen Beteiligten in die Projektabwicklung integriert werden müssen. Einfach ist anders. [12] Die Branche benötigt daher wieder mehr Generalisten und ausgewiesene Persönlichkeiten, die diese vielfältigen Anforderungen sachgerecht einordnen und diesen gerecht werden können. [13]
Zu guter Letzt spielt die Digitalisierung eine wesentliche Rolle. Alles was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Das gilt auch für Projektmanagementleistungen im Bauwesen. Im Planungsbereich hat sich die modellbasierte Arbeit (arbeiten mit digitalem Zwilling/BIM) bereits weitgehend durchgesetzt. Die Methodik ist mit neuen Zusammenarbeitsformen und neuen Schnittstellen verbunden. Das BIM-Management ist als speziellere Managementausprägung neben klassische Projektmanagementleistungen getreten. [14] Eigens ausgebildete Fachkräfte beschäftigen sich mit der Beratung zu BIM-Anwendungsfällen, zu BIM-Abwicklungsplänen und Auftraggeberinformationsanforderungen (AIA/LOIN). Aufgabe des Projektmanagers Bau ist es zunächst einmal, diese Tätigkeiten einzubinden und die Schnittstellen im Planungsprozess neu auszurichten. Bei der modellbasierten Arbeit werden auch nur noch zum Teil Pläne ausgedruckt; das früher bekannte Einzeichnen von Prüfanmerkungen durch einen Projektmanager in Papierpläne, wird heute durch digitale Anmerkungen in der Form mittels BCF ersetzt. Auch digital einsehbare 5 D-Pläne muss ein Projektsteuerer somit lesen und bewerten können. Eine isolierte Terminplanung außerhalb des 5 D-Modells wird es immer weniger geben. Schon heute werden Terminpläne direkt aus Modellen abgeleitet. Insoweit wachsen die Disziplinen zunehmend zusammen. Aber es muss natürlich noch den/die erfahrenen Projektmanager/innen geben, die baubetriebliche Randbedingungen, das Projektumfeld, logistische Einflüsse/Engpässe sowie geometrische und konstruktive Einflüsse projektspezifisch und ingenieurmäßig bewerten und die digitalen Arbeitsergebnisse bewerten können. Im Bereich der Projektsteuerung Bau ist daher ein erheblicher Fortbildungsbedarf und eine Professionalisierung der Mitarbeiterschaft auch hinsichtlich digitaler Werkzeuge erforderlich. So wie in der Vergangenheit werden Projekte in der Zukunft nicht mehr gemanagt werden können.
Während bislang Monatsberichte der Projektsteuerung eine kaum überschaubare Datenflut mit oft dreistelliger Seitenanzahl, ergänzt um eine Vielzahl von Excellisten beinhalten, werden an deren Stelle übersichtliche Dashboard-Lösungen treten, die einem Auftraggeber, z.B. in der Form der AHO-Handlungsbereiche, den jeweils aktuellen Status ihres Projektes und der Handlungsnotwendigkeiten zeitnah und transparent darstellen. Eine solche Dashboard-Oberfläche (wie beispielsweise des „Preuss Project Eye“ von Preuss Project Partner GmbH, München) ist nachfolgend abgelichtet.

Schaubild 4: Dashboard-Oberfläche nach Handlungsbereichen des AHO
Auftraggeber werden hiervon stark profitieren und ihr Entscheidungsmanagement nachhaltig verbessern können. Projektmanagementunternehmen müssen sich insoweit um die Entwicklung einer geeigneten Software und entsprechende Geschäftsprozesse kümmern.
Projektmanagement = Datenmanagement?
Projektmanagement ist auch Datenmanagement. Mit der Digitalisierung tritt dieser Aspekt noch stärker in den Vordergrund. Schon jetzt muss ein Projektsteuerer diverse Softwareprodukte bedienen können. In der Regel werden größere Projekte mittels Projektkommunikationssystemen oder in der BIM-Welt mit „CDE´s“ (Common Data Environments) gesteuert. Diese sind zu bedienen. Die Daten müssen verwaltet werden. Dies ist eine Herausforderung und eine Chance zugleich, denn wer die Daten verwalten kann, hat die Macht im Projekt. Allerdings wird es zu einer wichtigen Aufgabe des Projektmanagements, klar definierte Schnittstellen und Vorgaben von Datenformaten für weitere Projektbeteiligte vorzugeben, damit eine sachgerechte und aussagefähige Datenaggregation, und zwar ohne fehlerträchtige Doppelerhebung von Daten (z.B. betreffend Behinderungsdokumentationen, Bedenkenanmeldungen, Nachträgen, Kosten- und Termindaten wie auch Baumängeln).
In großen Projekten sind Datenbanken oft „Datenfriedhöfe“. Projektsteuerer können in dieser Zeit gerade deshalb als Herrscher über die Projektdaten zusätzliche Bedeutung gewinnen. Sie müssen allerdings mit den jeweiligen Werkzeugen umgehen können.
Zusätzliche Entwicklungen und Anforderungen wird der Einsatz von Robotik auf den Baustellen sowie Künstlicher Intelligenz im Projektmanagementwesen bringen. Der Einsatz von Robotik auf der Baustelle erfordert überdies besondere Maßnahmen des Baustellen- und Datenmanagements. Zudem verwenden viele Mitarbeiter in Projektsteuerungsunternehmen schon jetzt Chat-GPT oder vergleichbare KI-Formate für die Erarbeitung von Schriftverkehr. In der Zukunft wird es das klassische Protokollwesen nur noch in abgewandelter Form geben. Sprachaufzeichnungen und die automatisierte Umsetzung in KI-gestützte Protokolle werden diesen wichtigen Bereich effektuieren und den Projektsteuerer lediglich noch als Korrektur- und Kontrollinstanz vorsehen. Risikomanagement und Trendanalysen werden zunehmend mittels KI-gestützter Software vorgenommen werden, wobei es auch hier insoweit noch einen Experten geben muss, der diese Ergebnisse aufgrund fundierter beruflicher Ausbildung und Erfahrung bewerten kann. Für Auftraggeber bieten die neuen Tools eine deutliche Verbesserung in Bezug auf Transparenz und Schnelligkeit. Für die beteiligten Projektmanager bedeuten sie zunächst eine ergänzende berufliche Herausforderung und einen erheblichen Fortbildungsbedarf. Gerade bei einem in der Zukunft erhöhten Einsatz von innovativer Datentechnik muss es den erfahrenen Projektmanager/die erfahrenen Projektmanagerinnen geben der/die in der Lage ist, die digital erzeugen Ergebnisse zielsicher zu beurteilen und rechtzeitig Fehlentwicklungen einschätzen zu können.
Ergebnis
Das Projektmanagementwesen Bau ist somit durch starke Veränderungsprozesse geprägt. Die Anforderungen an die Tätigkeit haben sich gravierend verändert und erhöht. Aus der Steuerung des magischen Dreiecks von Kosten, Terminen und Qualitäten ist die Beherrschung eines komplexen Sechsecks geworden.
Die in den letzten Jahren entwickelten Standards und Leistungserbringungsformen (somit das heutige Gerüst für Projektmanagementleistungen im Bauwesen) werden kontinuierlich fortgeschrieben und auch zukünftig eine belastbare Grundlage für die Erbringung entsprechender Leistungen bleiben. Speziell größere und komplexe Projekte stellen viele neue fachliche Anforderungen an Projektmanagementunternehmen. Mit entsprechenden Skills vertraute, erfahrene Projektmanager, die insbesondere die zur Verfügung stehenden technischen Hilfsmittel effektiv einsetzen können, werden in der Zukunft wichtiger als je zuvor. Projektmanagementunternehmen müssen sich den aktuellen Entwicklungen, insbesondere der stärkeren Digitalisierung stellen und eine Mitarbeiterschaft binden und fortentwickeln können, die den Anforderungen der Zeit gerecht werden kann. Nur dann kann es gelingen, in dem veränderten Marktumfeld dauerhaft profitabel tätig zu bleiben.
Auftraggeber sind speziell bei größeren und komplexen Projekten gefordert, auf ein sachgerechtes Customizing von Projektmanagementleistungen zu achten. Sie müssen darüber hinaus genau prüfen, ob anbietende Projektmanagementunternehmen über entsprechend qualifizierte und erfahrene Projektmanager:innen mit entsprechender Erfahrung und Know-how und erprobten Softwarelösungen verfügen. Alle Marktbeteiligten werden einen starken Veränderungsdruck im Projektmanagementwesen Bau spüren und ihre Anstrengungen zur Vorhaltung und Einsatz von geeigneten Projektmanagementlösungen und -prozessen deutlich erhöhen müssen.
[1] Projektmanagement Bau ist ein Oberbegriff für alle Projektmanagementleistungen bei einem Bau-projekt; der Begriff umschließt Leistungen der Projektleitung und der Projektsteuerung im Bauwesen.
[2] Haghsheno/John, in: DVP, Hrsg., Marktbericht, Bauherrnseitige Projektmanagement-Dienstleistungen in Deutschland, 2024.
[3] DVP, Hrsg., 1000 Verträge – Überblick über die aktuelle Vertragspraxis im Bauprojektmanagement, 2023.
[4] Vgl. Eschenbruch, Standards für Leistungen und Vergütungen im Projektmanagement, BauR 2020, S. 1848.
[5] Preuß/Schöne, Real Estate und Facility Management, 5. Auflage 2022, Kap. 275 ff.
[6] Eschenbruch (Hrsg.), Projektmanagement und Projektsteuerung für die Immobilien- und Bauwirtschaft, 6. Aufl. 2025, Kap. 124 ff.
[7] Haghsheno/John, DVP, Hrsg., Marktbericht, Bauherrnseitige Projektmanagement-Dienstleistungen in Deutschland, 2024.
[8] Vgl. Thomeczek, Immobilienzeitung 30.01.2025, S. 9: Seit 2021 hat sich der Büroneubau um 66 % reduziert.
[9] Vgl. dazu etwa Liauw/Finke/Eschenbruch/Jansen, Define & Deliver, Ein Baupartnermodell für den Schlüsselfertigbau – Konsequent, smart und digital, NZBau 2024, S. 315.
[10] Preuß/Schöne, Real Estate und Facility Management, 5. Auflage 2022, Kap. 5.11/5.12, S. 400-436.
[11] Bei Kluge, in: Ahrens/Bastian/Muchowski, Handbuch Projektsteuerung – Baumanagement, 7. Auf-lage 2024, S. 27: Die Baubranche befindet sich im Wandel: Neue Projekttypen, komplexe Akteurskonstellationen, steigende Anforderungen und eine wachsende Zahl an Beteiligten erfordern eine Ergänzung des bisherigen Methodenportfolios.
[12] Vgl. dazu Eschenbruch, Saalbach, Kollaborative Terminplanung in Praxistests, BauR 2024, 1437.
[13] Preuß, Zielführendes Management für gelungene Projekte, in: Modener Gebäudetechnik IV/24.
[14] Vgl. dazu Eschenbruch/Dellen, Liebich, Zur Vergütung von BIM-Management-Leistungen, BauR 2024, 1575.