Ist die HOAI-Reform 202x auf dem richtigen Weg?

11.04.2022

Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung findet sich auf S. 93 unter der Überschrift „Städtebau“ und in einem Kontext zur Förderung von Clubs und Livemusik-Spielstätten der Satz:

„Wir wollen die Honorarordnung für Architekten (HOAI) reformieren und die Leistungsbilder anpassen.“

Der Text erschien als Editorial in BauR – Baurecht – Heft 3|2022.

Schon im Vorfeld waren unter dem Dach des Ausschusses der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V. (AHO) – in Zusammenarbeit mit der Bundesarchitektenkammer (BAK) und der Bundesingenieurkammer (BIngK) – die Arbeiten an neuen Leistungsbildern aufgenommen worden. Die Überprüfung und Fortschreibung der Honorarsätze der HOAI, die nach der HOAI-Novelle 2021 als Orientierungswert und für Fälle Bedeutung behalten haben, in denen die Vertragsparteien keine wirksame abweichende Honorarregelung treffen, sollen dagegen durch unabhängige wissenschaftliche Gutachten fortentwickelt werden.

Der Novellierungsbedarf bei den Leistungsbildern ist unbestritten. Die Leistungsbilder sind ungeachtet ihrer Bedeutung für die Praxis veraltet und bilden die heutige Planungswirklichkeit nicht mehr vollständig ab. Die augenblicklichen Überarbeitungsansätze gehen dahin, die Grundleistungen der vorhandenen Leistungsbilder unter Berücksichtigung von „Bauen im Bestand“ und „Brandschutz“ zu modernisieren, dabei insbesondere leistungsbildübergreifend für eine sprachliche Vereinheitlichung und für eine Präzisierung der Grundleistungen zu sorgen. Manchen Rechtsanwender wird es freuen, dass nach den bisherigen Arbeitsergebnissen eher von einer Fortschreibung „im System“ auszugehen ist.

Die bisherigen Arbeitsergebnisse verdeutlichen das Bemühen, die Leistungen der Architekten und Ingenieure konkreter zu definieren, eindeutige Abgrenzungen zu weiteren Projektbeteiligten vorzusehen und dabei gelegentlich auch die Leistungspflichten der Architekten und Ingenieure weiter einzugrenzen. Wichtige Modernisierungschancen, speziell unter dem Blickwinkel der Digitalisierung, werden allerdings bislang nicht aufgegriffen:

1

Die HOAI-Grundleistungsbilder beschreiben das Zusammenwirken der Objekt-und Fachplanungsbeteiligten nur mittels sehr abstrakter Formulierungen. Die jeweiligen Koordinierungsstufen in der Vorentwurfs-, Entwurfs- und Ausführungsplanung zwischen Objekt- und Fachplanung und den jeweiligen Fachplanungen untereinander werden im Einzelnen nicht geregelt. Diesem Manko wird durch die vorliegenden Arbeitsergebnisse nicht abgeholfen, vielmehr wird die bisherige Koordinierungs- und Integrationsfunktion der Objektplanung sogar abgeschwächt, indem lediglich noch von einem „stufenweisen Abstimmen“ gesprochen wird. Es wird offenbar kein Versuch unternommen, die notwendigen Abstimmungsprozesse zu konkretisieren, so dass die Praxis weiterhin bspw. auf die Veröffentlichungen des Deutschen Betonvereins (DBV) zur „Qualität der Planung (2015)“ zurückgreifen muss, um die Zusammenarbeitsprozesse in der Planung nachvollziehen zu können.

2

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Tätigkeit des Architekten und Ingenieurs sollte ursprünglich ein zentraler Gegenstand der Modernisierungsbemühungen sein. Inzwischen ist dieser Aspekt erkennbar in den Hintergrund getreten. Für die Digitalisierung soll lediglich noch Raum in den allgemeinen Vorschriften oder in Vorbemerkungen sein. Selbst die derzeitigen Arbeitsergebnisse verwenden zur Beschreibung von Grundleistungen vielfach Begrifflichkeiten der analogen Welt wie „skizzenhafte Darstellung“, „zeichnerisches Erarbeiten“ und beziehen sich auf vorgegebene Maßstäbe für zu übergebende Planungsergebnisse. Zwar ist es mit der bisherigen Leistungsbildstruktur schwierig, den Variantenreichtum von BIM-Anwendungen darzustellen, immerhin gibt es aber bereits bewährte Konzepte für die Weiterentwicklung der Leistungsbilder, etwa der BAK oder des AHO. Die inzwischen durch die öffentliche Hand standardisierten BIM-Anwendungsfälle hätten die Möglichkeit eröffnet, die Leistungsbilder auf die digitalen Anforderungen hin weiterzuentwickeln und damit auch anwendungsfallspezifische Honorarvorschläge für BIM-Leistungen zu entwickeln, die nunmehr von anderen Marktteilnehmern erarbeitet werden.

3

Wie bislang sollen die Leistungsbilder aus generischen Tätigkeitsbeschreibungen für Architekten und Ingenieuren bestehen. Zwar wird vom Lenkungsgremium die werkvertragliche Ausrichtung der Architekten- und Ingenieurverträge betont, eine Weiterentwicklung der Leistungsbilder mit ergänzenden Leistungsergebnissen/Lieferobjekten der Planung findet indessen bislang nicht statt. Dies ungeachtet des Umstandes, dass sich die Praxis schwertut, ergänzende Ergebnisanforderungen, etwa der VDI-Richtlinie 6026, für die TGA in Ingenieurverträge zu integrieren. An der Definition von Planungsergebnissen/Lieferobjekten der Planung führt ohnehin kein Weg vorbei. Denn es müssen derzeit bereits einsatzfähige bzw. in der Entwicklung befindliche digitale Prüfwerkzeuge bedient werden können. Die Vernachlässigung dieses Themas bringt die Gefahr für die Planungswirtschaft mit sich, von definierten Datenanforderungen für Planungsübergaben der Bauindustrie überholt zu werden. Ein möglicher Bedeutungsverlust der Leistungsbilder der HOAI in der bisherigen Form ist nicht von der Hand zu weisen.

Die Novellierung der HOAI-Leistungsbilder ist eine Sisyphusaufgabe. Allein die sprachliche Modernisierung und Präzisierung der Grundleistungsbilder setzt erhebliche Anstrengungen voraus. Speziell unter dem Blickwinkel der fortschreitenden Digitalisierung besteht allerdings erhebliche Luft nach oben. Leistungsbilder der Planung werden in der Zukunft zunehmend durch Leistungsergebnisse (Datadrops) mit konkreten Datenanforderungen ausgestattet sein müssen. Das gilt auch für die einzelnen Zusammenarbeitsstufen der beteiligten Objekt- und Fachplanungsdisziplinen. Es besteht die Gefahr, dass Architekten und Ingenieure die Zukunft aus der Hand geben, wenn sie an ausschließlich generisch ausgerichteten Tätigkeitsbeschreibungen der planerischen Disziplinen in den Grundleistungsbildern der HOAI festhalten wollen.

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